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Pictures

Band: Pictures

Album: Promise

VÖ: 03.02.2017 

Label: Virgin / Universal

Website: www.picturesband.com

Es tropft von der Decke, kein Wasserschaden, das ist Schweiß. Kein Wunder, die relaxed anmutenden Stücke besitzen eben auch etwas zutiefst Energetisches. PICTURES, das sind vier Typen aus Berlin und Westdeutschland mit einer aufwühlenden Vita und einem außergewöhnlichen Debüt-Album. Umarmender Songwriter-Rock – getränkt in blood, sweat and tears.

Der erste Anlaufpunkt, geht es um PICTURES, ist Berlin. Dort sitzen Ole Fries und Maze Exler. Ole spielt Gitarre, Maze ebenfalls, außerdem ist er der Sänger. Alles ganz fokussiert - doch von hier an öffnet sich die Story: Westdeutschland und die Notwendigkeit von Bahncards geraten ins Bild. Schlagzeuger Michael Borwitzky, hat seinen einstigen Spitznamen Bowy abgelegt und lebt heute in Hamburg, Bassist Markus Krieg halb im italienischen Como, halb in Bad Ems, einem Kurstädtchen bei Koblenz. Allerdings wäre nichts ein größerer Fehler, als in dieser Entfernung eine Überdehnung des Bandprinzips erkennen zu wollen. Im Gegenteil, vermutlich ist kaum eine Gruppe so eingeschworen und sich so nah wie diese. Dafür spricht auch, wie weit nach hinten sich die Verflechtung der vier Freunde zurückrechnen lässt. Maze spielte in den Neunzigern in der düster genialischen Band Jonas, vier rauchende Teenager aus Bad Bentheim - noch so ein Kurort. Danach stellten Union Youth die nächste Eskalationsstufe dar. Eine bis nach Amerika vordringende Abrissunternehmung im roten Bereich – und sicher einer der extremsten und besten Rockexporte aus Deutschland überhaupt. Tontechniker und Freund war zu dieser Zeit bereits Ole und Michael trommelte bei eben jenen Union Youth. Den Link zu Markus liefert Oles Zeit in Koblenz, dort traf man sich im überaus produktiven Umfeld der Band Blackmail.

Dass mit den PICTURES nur ein Projekt ins nächste überging, kann allerdings nicht konstatiert werden: Zwischen dem Ende von Union Youth und dem frischen Start in neuer Konstellation liegen fast zehn Jahre, alles fühlt sich nicht nur neu an, es ist auch nicht mehr das Gleiche. Zum Glück.

Denn Sänger Mazes Heroinabhängigkeit, die ihn nach der Rockstar-Etappe seines Musikerlebens vollends ereilte, hätte das einzigartige Projekt PICTURES beinahe zum Kippen gebracht, seit anderthalb Jahren ist er nun clean. Den Kampf, der mit diesem lapidaren letzten Satz einherging (und geht), hat die Band zusammen bestritten. Dokumentiert sieht er sich auch in dem Film, den Christian von Brockhausen und Timo Großpietsch über PICTURES gedreht haben. Ein Dokumentarfilm über einen musikalischen Neubeginn sollte es eigentlich werden, doch es kam anders und hat alle Beteiligten an ihre eigenen Grenzen geführt, aber auch in einer Weise verbunden, wie es wohl kaum eine Band sonst erlebt. Der Film „Die Könige der Welt“ wird 2017 Premiere feiern.

Der aufreibende Kampf um das Leben hat sich gelohnt, die Band zahlt ihnen das hörbar zurück. Das mitreißende Songwriting von Maze besitzt bei PICTURES endlich den nötigen Raum, sich voll zu entfalten - ein Panorama öffnet sich, wenn eingezählt wird. So entstehen analoge Pop-Hymnen, die im besten Sinne klingen, als seien sie aus der Zeit gefallen. Wer aktuellen Trends hinterherläuft, wird hier nicht den richtigen Ort finden, wer in Gitarrenmusik allerdings für immer Melodie und Emotion sucht, kann sich unglaublich glücklich schätzen. Denn in dieser von Pelle Gunnerfeldt (u.a. Soundtrack Of Our Lives, The Hives, Refused) und Simon Nordberg (Anna Ternheim, Kent, a-Ha) gemischten Platte liegt dahingehend ein wahrer Schatz. Versprochen. „Promise“.

Der Ursprung der Band beziffert sich auf eine Zeit von vor fünf Jahren, als der erste Song entstand. Die vier überwanden alle Distanz, alles Drama und nutzten die Nähe, um ihr Songwriting zu perfektionieren. „Das kann man sich wie in einer Fabrik vorstellen“, Maze grinst und freut sich über die eigene Metapher, „Der Anfang liegt bei mir, ich habe eine kleine Idee, eine Melodie, schreibe was auf und das reiche ich dann an Ole weiter, der einen großen Anteil am Songwriting besitzt. Erst wenn er darin was sieht, gerät die Sache ins Rollen und wir arbeiten den Einfall weiter aus, im nächsten Schritt werden Michael und Markus an den Entwicklungsprozess angeschlossen. Am Schluss steht dann das fertige Stück. Alle Stationen auf dem Weg dahin sind wichtig.“

Besagtes Urstück, „Down Under The Hill“, ist nun auch auf dem Debüt-Album zu finden und trägt bei zu einer beeindruckenden Gesamtheit. Schließlich machen sich PICTURES auch wenig aus der Unsitte, Platten in Einzelteile zerstückelt wahrzunehmen: „Für mich ist ein Album wie ein Film“, sagt Ole, „es geht darum, es als Ganzes zu erleben, sich die 40 oder 50 Minuten zu nehmen.“

Nicht nur diese Sicht der Dinge stellt klar, dass es sich hier um eine „klassische“ Band handelt, also klassisch nicht im rückwärtsgewandten Scheiß-Sinn. Vielmehr geht es um die Kontinuität des Guten, oder wie es Maze ausdrückt: „Wir hätten die Band auch, keine Ahnung, Apfelbaum nennen können. Der steht unbeeindruckt da und es wachsen Äpfel. Wem sie schmecken, der pflückt sie sich.“ Klingt einleuchtend, lediglich vom Namen her dann doch nicht so geschmeidig wie PICTURES.

So ein widerständig zu googelnder Name besitzt im digitalen Zeitalter auch etwas von einem Statement - dieser Umstand stellte allerdings keine bewusste Intention bei seiner Wahl dar. Er ist mehr Indiz dafür, wie wenig sich gerade Maze für moderne Technik begeistern kann. Ein Fortschrittsfeind sei er aber dennoch nicht, als Beweis dafür führt er an, dass das Ende der Hexenverbrennungen zum Beispiel etwas sei, das er außerordentlich begrüße. Er schaut betont ernst, wenn er sowas sagt, und nicht nur hier wird das deutlich, was diese Band so auszeichnet: Eine Doppelbödigkeit. Es gibt etwas zu entdecken, es gibt etwas zu verstehen. Auch wenn man erstmal ganz leicht in diese Musik, diese Welt reinrutscht.

So machen dann auch Texte wie „Let The Music Shine“ aufs erste Hören einen positiven, ja mitunter unbeschwerten Eindruck. Doch hört man genauer hin, entdeckt man bald auch das Bittersüße, stößt auf eine tief verinnerlichte Melancholie. „Everyone sees the sun going down, the lights fading out to the ground / If you and I leave the world quietly / there’s no sound to hear anymore“(„See The Sun“). Diese Musik malt nicht nur Bilder von schönen Orten, sie reflektiert auch dunkle Momente und noch dunklere Sehnsüchte. Auf diesem Album herrscht ein Widerstreit zwischen Hoffnung versus Finsternis, den die Band nicht bereit ist, verloren zu geben.

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