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Dead Letter Circus

Band: Dead Letter Circus

Album: s/t

VÖ: 21.09.2018           

Label: BMG / Warner

Website: www.deadlettercircus.com

Das Private ist politisch – so lautet ein berühmter Slogan der Frauenbewegung aus den 1970er Jahren. Falls dies tatsächlich der Fall sein sollte, dann handelt es sich beim neuen Album von Dead Letter Circus wahrscheinlich um die bisher politischste Scheibe, die das australische Alternative Rock-Quintett je veröffentlicht hat. Mit ihrem selbstbetitelten Album legt die Formation aus Brisbane ihr viertes Studioalbum mit Originalsongs, insgesamt jedoch ihren fünften Longplayer vor. Schon auf vorherigen Veröffentlichungen hat sich die Band kritisch zu heißen gesellschaftlichen Eisen wie dem umstrittenen Fracking geäußert. Auf „Dead Letter Circus“ werfen die Australier nun einen Blick darauf, was die Menschen im Inneren antreibt - auf all die Unsicherheiten und Marotten, die uns manchmal so angreifbar und verletzlich machen.

„Wenn es um meine Texte geht, habe ich schon immer versucht, mein weiterentwickeltes Ich zu demonstrieren. Mein Ich, das aus der Moral des Songs seine Schlüsse gezogen und seine Lektion gelernt hat“, so Frontmann Kim Benzie über den thematischen Überbau des neuen Albums. „Ich schätze mal, mit dieser Platte vervollständigt sich nun das Gesamtbild meiner Arbeitsweise, indem ich meine mentalen Ausnahmezustände offenbare, aus denen meine Songs oft resultieren. Ich setze mich nie mit einer bewussten Botschaft im Kopf ans Songwriting, sondern lasse meine Gedanken einfach fließen. Die neuen Lyrics entstanden so auf eine extrem unverfälschte und persönliche Weise.“

„Ich habe in den letzten Jahren ein paar Erfahrungen gemacht, die mir die Augen in Bezug auf die Gefahren geöffnet haben, denen man sich aussetzt, wenn man seine Gefühle unterdrückt und verheimlicht. Gerade wir Männer“, so Kim weiter. „Wir leben nicht in einer Gesellschaft, in der bedingungsloses Glück das höchste Gut ist. Wenn man sich nicht der Menge anpasst, hat das oft Isolation und Schuldgefühle zur Folge. Ich hatte das Glück, meine Musik als eine Art Leiter aus diesem dunklen emotionalen Loch nutzen zu können. Während wir das Album schrieben, fiel mir auf, dass sich ein Thema von Song zu Song zog: Es geht in meinen Texten diesmal oft um mentale Probleme und um die Botschaft, dass es immer einen Ausweg gibt.“

Ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der neuen Texte stellte Benzies Entscheidung dar, die Dinge dieses Mal viel weniger klausuliert, sondern direkter und unverblümter auszudrücken. So wie im Refrain des Tracks „We Own The Light“, auf dem es um das Verhältnis von Stärke und Angreifbarkeit geht. Je verletzlicher man sich macht, desto unbesiegbarer wird man, wie Dead Letter Circus mit Zeilen wie “Don’t let the sun pass you by, Don’t accept defeat, Don’t let the world be the reason” ausdrücken.

Während Dead Letter Circus textlich selbst an den dunkelsten Orten nach ein wenig Licht und Hoffnung suchen, zeigt sich die Fünfertruppe rein musikalisch von einer ganz anderen Seite, als noch auf ihrem 2017er Vorgänger „The Endless Mile“. Nachdem man im vergangenen Jahr ausgewählte Songs aus der mittlerweile 13-jährigen Bandhistory in intimen Akustikversionen präsentierte, dreht die Combo dieses Jahr wieder ihre Verstärker etwas weiter auf.

„Wir mussten einfach wieder ein wenig abrocken“, grinst Benzie, der die Band seit 2004 als Mitbegründer anführt und heute von den Gitarristen Clint Vincent und Luke Palmer, Bassist Stewart Hill sowie Drummer Luke Williams verstärkt wird. „`The Endless Mile` war eine große Herausforderung, die uns viel Spaß gemacht hat. Es war eine schöne Erfahrung, mit dieser besonderen Orchestrierung zu arbeiten. Doch Geigen und Klaviere wurden uns auf Dauer einfach zu eindimensional. Der Song `The Armour You Own`(Info am Rande: Die erste Singleauskopplung des Albums, die von einem Gespräch inspiriert wurde, das Benzie mit seinem Sohn über Angstzustände führte) wirkte nach so vielen Streichern und Pianos extrem befreiend. Die neuen Songs haben einfach viel mehr Power.“

Schon während der Arbeiten am Vorgänger „The Endless Mile“ sammelte Benzie erste Ideen für das, was nun unter dem Titel „Dead Letter Circus“ das Licht der Welt erblickt hat. Dabei widerfuhr ihm eine echte Glückssträhne, genauer ein kreativen Hoch, während dem er einen guten Monat lang zwei bis drei Songideen pro Nacht einfing. Doch statt seine musikalischen Songwriting-Visionen auf eigene Faust umzusetzen, bezog Benzie diesmal die gesamte Band in den Entstehungsprozess mit ein. So wie auch bereits auf dem 2015er Release „Aesthesis“.

„Gerade in dieser freien Jam-Situation erwacht die Band so richtig zum Leben. Man braucht nur ein winziges Saatkorn zu pflanzen, aus dem schon nach kurzer Zeit ein ganzer Track entsteht“, gibt sich Benzie begeistert. „Während ich die Jungs mit den Ideen jonglieren und sich gegenseitig die Bälle zuspielen sah, hatte ich diesen ganz besonderen Erleuchtungsmoment: Mir wurde klar, dass ich der einzige Mensch auf der ganzen Welt bin, der diese kreativen Geburtsmomente der Band mitbekommt. Dass ich diese exzellenten Musiker dabei beobachten darf, wie sie Großes erschaffen.  Ich realisierte in diesem Augenblick, dass ich wahrscheinlich der allergrößte DLC-Fan aller Zeiten bin.“

Und auch Luke Williams zeigt sich euphorisch über das Ergebnis von „Dead Letter Circus“; dem ersten Album, bei dem das Line-Up mit dem Vorangegangenen übereinstimmt. „Diese Tatsache spiegelt den demokratischen Schaffensprozess wider, dem wir uns heute kollektiv unterwerfen“, erklärt der Schlagzeuger. „Wir alle sind gute Freunde und wir wissen ziemlich genau, wie man miteinander spricht und die gegenseitige Kommunikation lebendig hält.“

Auf „Dead Letter Circus“ setzt die Band zudem die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Produzenten Forrester Savell (Karnivool) und Matt Bartlern (Jarry James, Matt Corby) fort, die bereits für die Produktion des Albums „Aesthesis“ verantwortlich zeichnete, mit dem die Band ebenso auf einem hervorragenden 2. Platz der ARIA-Charts einstieg – so wie schon mit dem 2013er Album „The Catalyst Fire“. Gute sechs Wochen arbeitete die Formation mit dem bewährten Produzententeam im Studio Circuit in der Stadt Gold Coast an ihrem bisher wohl organischsten Werk: Ein Album, das von der Kombination von dezentem Programming, gigantischen Hooks („The Real You“, „Change“) sowie dem markanten Signature-Sound aus einer ätherischen Atmosphäre und massiven Gitarren-Riffs („We Own The Light“, „Heartline“) lebt. Der Song „Say It Won`t Be Long“ stellt eine der bisher adrenalingeladensten Kompositionen der Band dar, in der Benzie von „Angstzuständen und diesem verzweifelten Zustand, wenn man beginnt, die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Dingen herzustellen und letztendlich nur noch nach Hilfe schreit“ erzählt.

Auf „Dead Letter Circus“ zollen DLC einerseits ihrer Vergangenheit Tribut, während man den Blick jedoch auch ganz klar in die Zukunft gerichtet hat. Der Sound einer kompakten Einheit, die durch das Streben nach denselben Zielen zusammengehalten wird. „Dieses Album hat uns noch einmal unsere absolute Verbundenheit vor Augen geführt“, so Benzie. „Es fühlt sich so an, als wären wir auf dem ultimativen gemeinsamen Nenner. Diese Songs sind nur durch den starken Zusammenhalt und diese Bruderschaft zwischen uns allen möglich geworden. Es fühlt sich so an, als wären wir endlich angekommen. Mit diesem selbstbetitelten Album halten wir diesen gemeinsamen Reiseabschnitt für alle Ewigkeit fest.“

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