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Tunng

Band: Tunng

Album: Tunng presents...DEAD CLUB

VÖ: 06.11.2020

Label/Vertrieb: Full Time Hobby/Rough Trade

Website: https://www.tunng.co.uk

 

Tunng präsentiert… DEAD CLUB

„Trauer fühlt sich vierdimensional, abstrakt, vage vertraut an“, schrieb Max Porter in dem Roman Trauer ist das Ding mit Federn. Sie ist „alles. Sie ist der Stoff der Selbstsucht und wunderschön chaotisch. Sie teilt mathematische Charakteristika mit vielen natürlichen Formen.“ Und doch sind Trauer, Verlust, das Sterben, wohin wir gehen und was aus denen wird, die wir zurücklassen, immer noch fast unberührbare Themen, der Tod das größte Tabu. Wir haben gerade einmal begonnen, seine Pracht, seine Banalität und sein Wunder zu begreifen.

Der Tod ist ein Thema, das Sam Genders von Tunng schon lange fasziniert hat; eine Sorge, die nicht unbedingt aus dem Makabren geboren wird, als aus einer Neugier über die fundamentale Bedingung unserer Existenz - gleichzeitig hat Genders eine gewisse Zögerlichkeit bei der Trauer der Anderen beobachtet; er verspürt den Wunsch, auf die richtige Art zu unterstützen, die richtigen Dinge angesichts des Verlusts sagen zu können.

Genders hat viel darüber gelesen: Death’s Summer Coat von Brandy Schillace, It’s OK That You’re Not OK von Megan Devine, Being Mortal: Medicine and What Matters in the End des amerikanischen Chirurgen Atul Gawande. Etwa zur Zeit von Songs You Make at Night, des sechsten Tunng-Albums von 2018, entdeckte er Max Porters Roman Trauer ist das Ding mit Federn und war von dessen Kraft beeindruckt, von seinem aufgewühlten, rohem Zorn. Seiner Schönheit, seiner Liebe und den Verbindungen, die er aufzeigt. Er gab das Buch an die Bandmitglieder weiter.

„Dann haben wir uns darüber unterhalten und bekamen eine Idee“, sagt er. „Wir dachten, vielleicht könnte man ein Projekt daraus machen.“ „Und es ist ein Projekt geworden“, sagt Bandmitglied Mike Lindsay. „Es ist nicht nur eine Platte, es ist eine Diskussion, eine Podcast-Serie, es ist Dichtung, Kurzgeschichten, eine Untersuchung.“

Die Breite, Detailliertheit und Sorgfalt von Tunngs Dead Club fällt auf. Die Podcast-Serie, produziert von Becky Jacobs und Sam Genders, wendet sich an die, die mit dem Tod arbeiten: Philosophen, Wissenschaftler und viele darüber hinaus. Die Philosophen Alain de Botton und A.C. Grayling diskutieren kulturelle Haltungen, die wir dem Tod gegenüber einnehmen, außerdem melden sich die Palliativmedizinerin und Autorin Kathryn Mannix, der Gedankenleser Derren Brown, die forensische Anthropologin Dame Sue Black, die Rapperin Speech Debelle und der Poesie-Redakteur des New Yorker, Kevin Young, zu Wort. Ausschnitte aus dieser Diskussion tauchen auf dem Album auf: Browns Stimme kann man auf „Fatally Human“ hören, Black erwägt, was passiert, wenn wir sterben, auf „The Last Day“, während auf „A Million Colours“ Ibrahim Ag Alhabib von Tinariwen über die Traditionen der Tuareg in Nord-Mali rund um den Tod spricht.

Es ist ein außergewöhnliches Album. Kontemplativ, intim, feierlich. Es enthält Kollaborationen mit Max Porter, der zwei neue Texte für das Album geschrieben hat. Es lebt von der Recherche der Band und erwähnt das indigene Volk der brasilianischen Wari, die ihre Toten verspeisen, Bewusstsein und Erinnerung werden diskutiert, Genders Besuch eines „Death Cafe“ in Sheffield rekapituliert sowie der schwedische Aufräum-Trend, das sogenannte „Death Cleaning“. Das Album streift persönlichen Verlust, Angst, Humor, Leid und Liebe.

Über den Gegenstand des Albums haben die sechs Bandmitglieder - Genders, Lindsay, Jacobs, Ashley Bates, Phil Winter, Martin Smith - monatelang diskutiert. Dass sie eine verhältnismäßig große Band mit vielen verschiedenen Meinungen und Perspektiven sind, erwies sich dabei als hilfreich: „Wenn all diese Dinge zusammenkommen wird es erst zu Tunng“, sagt Genders. „Und weil der Tod als Gegenstand auf viele verschiedene Weisen so kraftvoll für die Menschen ist, haben wir auch darüber gesprochen, welche Themen in so einer Diskussion auftauchen könnten und dass wir sensibel damit umgehen müssen.“ Als es dann ums Musikschreiben und Aufnehmen ging, war der Prozess verhältnismäßig einfach. „Weil wir uns schon so lange damit beschäftigt hatten, ging es ziemlich mühelos.“

 

„Das ganze Konzept in ein Album, in Musik zu verpacken, ohne dass es zu düster oder zu schwierig wird, war die Herausforderung“, sagt Lindsay. „Wir wollten, dass das Album farbig wird und irgendwie auch aufbauend. Und obwohl manches viel dunkler geworden ist, als ich vorher gedacht habe, finde ich doch, dass es eine anregende und emotionale Reise ist; es macht mich jedenfalls nicht traurig.“

Eine Zeitlang hat Lindsay darüber nachgedacht, nur ausgestorbene Instrumente zu verwenden, quasi als Wink mit dem Zaunpfahl. Schließlich hat sich die Band darauf verständigt, das Klavier als zentrales Instrument zu benutzen - „ein traditionell emotionales Instrument“. Ashley Bates, Gitarrist und außerdem professioneller Komponist und Arrangeur, hat ein Akkordbett aus den Tönen D, E, A und D konstruiert, das sich durch die ganze Platte zieht. Dabei war es nicht nur das Akronym, das ihn angezogen hat: „Diese Akkorde haben eine gewisse Eigentümlichkeit, die sie halb dunkel und halb hoffnungsvoll klingen lassen“, erklärt Lindsay. „Und ich denke, das bringt den Ton der Platte hervor.“

Lindsay fand es wichtig, dass Dead Club anders als die anderen Tunng-Platten klingt. „Die Musik musste sich wie von einem anderen Ort anfühlen“, sagt er. „Gleichzeitig sollte sie natürlich immer noch nach uns klingen.“ Das Stück, das als erstes dieser Klangvorstellung entsprach, war „Woman“, eine der beiden Kollaborationen mit Porter und nun das letzte Stück des Albums. „Martin spielt Klavier“, sagt Lindsay. „Und er spielte zu Max’ Geschichte. Ich denke, das gab den Ton des Albums vor, in den alles hineinpasst.“ Zur gleichen Zeit hat Bates mit Klarinetten und Streichern experimentiert und diese Passagen an Lindsay geschickt. „Phil kam dann rein und spielte einen Haufen schönes, melodisches Zeug auf seinem E-Bass, ein Gegensatz zu dem Moog-Synth-Bass, den wir auf dem letzten Album verwendet haben. All diese Elemente geben Dead Club eine Wärme, die sich wie ein roter Faden durch das Album zieht.“

„Erste Song-Gerüste hatten wir schon früh“, fährt Lindsay fort. „Ich versuchte, verschiedene Töne und Aromen zu entdecken, die wie Puzzleteile dazu passten. Ich habe nicht gedacht, ‚dieser Song sollte Derren Brown sein‘ oder ‚dieser Song sollte Sue Black sein‘ oder ‚dieser Song sollte A.C. Grayling sein‘. Nein, die Songs hatten einfach schon eine bestimmte Klangfarbe und als ich mir all die Interviews anhörte, schienen bestimmte Stimmen oder Phrasen einfach zu passen. Ich habe Teile ausgesucht, die zu mir sprachen.“ Wie in „SDC“ zum Beispiel, das von Margareta Magnussons Buch The Gentle Art of Swedish Death Cleaning inspiriert wurde. „Das Kathryn-Mannix-Zitat, das wirklich aus ihrem Herzen kam, fasste zusammen, um was es in dem Song geht - außerdem hatte ich nach einer bestimmten Stimme gesucht.“

In ähnlicher Weise fand Lindsay die Worte von Derren Brown „übers Geschichten erzählen, über Lagerfeuer und das Gefühl, am Ende seines Lebens sich selbst eine großartige Geschichte erzählt zu haben“, herausragend. „Er sagte, ‚manchmal fühlt sich man am Ende nur wie ein kleines Rädchen, aber doch nur, weil alle so nervös sind und nur an sich selbst denken, und nicht wirklich an Dich als Person am Ende ihres Lebens‘. Ich dachte einfach nur, das ist ein schöner Gedanke, der gleichzeitig größere Fragen stellt“, sagt er. „Gleichzeitig fühlte sich der Satz sehr musikalisch an, es ist ein schönes Bild und es hört sich einfach nett an. Ein großer Teil meines Jobs bei dieser Platte bestand darin, dass alles musikalische zusammenpasst und ein kohärentes Stück Arbeit zu erschaffen, das die Botschaft rüber bringt und sich gleichzeitig wie eine wunderschöne Platte anhört.“

Texte und Transkriptionen der Interviews begleiten das Album und den Podcast, das Artwork stammt von Lilias Buchanan und die Animationen von Sam Steer. Und natürlich waren auch Live-Konzerte geplant, bei denen Musik, Lesungen und Kunst präsentiert werden sollten. Tunng hatte gehofft, damit Gespräche über das Thema des Albums im Publikum anzuregen. Vielleicht ist die Hoffnung dieses Projekts, sich Trauer nicht einfach nur anzueignen, sie zu erklären oder einem Verlust eine Struktur zu geben, sondern sich dem Thema mit einer neuen Offenheit zu nähern.

Genders erinnert sich an seinen Besuch im „Death Cafe“, in dem zwölf Leute - darunter unheilbar Kranke, aber auch Hinterbliebene - über Sterblichkeit diskutierten. „Und sofort sprachen alle von uns sehr, sehr offen und ehrlich über schmerzhafte und mächtige Dinge“, sagt er. „Aber es war überhaupt nicht düster oder melancholisch. Es war, als ob man mit ein paar Kumpeln herumsitzt und jeder einfach nur denkt: ‚Gott sei Dank! Wir können einfach nur reden!‘ Das hat mich unglaublich bereichert.“

Wir verfügen nicht mehr über das religiöse Skript, das uns den Umgang mit dem Tod früher erleichtert hat, meint Genders. „Und ich denke, viele von uns haben Schwierigkeiten, wie sie sich bei einem Todesfall verhalten sollen.“ Aber es gibt Fähigkeiten, die man lernen, Gespräche, die man führen und kulturellen Ballast, den man in Frage stellen kann, um einen Ansatz zu finden, der eine Erfahrung reflektiert, die „einfach nur menschlich ist“, wie Genders meint. „Ich glaube, totale Ehrlichkeit ist im Leben generell von großem Nutzen“, sagt er. „Es geht darum, ehrlich zu sein bei all den verschiedenen Erfahrungen, die man machen kann. Letzten Endes wird man entdecken, dass alle dieselben Ängste haben und dieselben Erfahrungen machen. Und das kann vielleicht sehr wirkungsvoll sein.“

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