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Twin Atlantic

Band: Twin Atlantic

Album: GLA

VÖ: 09.09.2016

Label: Red Bull Records / Sony

Website: www.twinatlantic.com

 

Wenn sie sich glücklich schätzen können, werden sich alle Musiker irgendwann an einer Kreuzung wiederfinden. Wenn du erst einmal alle Ziele erreicht hast, die dich ursprünglich dazu getrieben haben, dir deine Gitarre umzuhängen – was dann? Zuhause.

Für Twin Atlantic kam dieser Moment im Jahr 2015, als die Gruppe den größten Erfolg ihrer Karriere genießen durfte. Acht Jahre nach ihrer Gründung, sieben Jahre seit ihrer Debüt-EP „A Guidance From Colour“, führte ihr drittes Album „Great Divide“ 2014 die schottischen Albumcharts an und kletterte in Großbritannien bis auf Platz 6. Sie hatten den Globus mehrfach umrundet und hinterließen eine andächtige Fangemeinde, wo auch immer sie spielten. Ihre UK-Tour in diesem Frühling hatte einem Aufruhr geglichen: in der Albert Hall von Manchester spielen, in Londons legendärer Brixton Academy und eine Show im Glasgower SSE Hydro vor 10.000 Fans – ihr bislang größtes Heimspiel. Im Sommer sah man die Band als Co-Headliner der Radio 1 Bühne auf dem Reading-Festival und dem Leeds Weekender und – näher an ihrer Heimat und wahrscheinlich auch an ihren Herzen – auf der Headliner-Position der Radio 1-Bühne beim T In The Park. Schlagzeuger Craig Kneale veröffentlichte „Photographic Record“, ein Buch, das seine Fotografien der ersten acht gemeinsamen Bandjahre versammelt.

Es war ein Moment, um zurückzutreten und Bilanz zu ziehen, um alles zu würdigen, was sie bis dahin erreicht hatten. Vielleicht sogar, um sich selbst ein bisschen auf die Schulter zu klopfen und sich darauf ein klitzekleines bisschen etwas einzubilden. Und es war in diesem Moment, in dem Twin Atlantic darüber nachdachten aufzuhören.

„Diese Steigerung der großen Konzerte fühlte sich wie ein Endpunkt an“, sagt Sänger/Gitarrist Sam McTrusty. „Wie das Ende eines Buches. Bis zum Punkt an dem wir uns fragten, ‚sollten wir es verdammt nochmal vielleicht einfach gut sein lassen?’ Denn es fühlte sich, nun… erledigt an.“

Doch dies ist glücklicherweise nicht die Geschichte davon, wie Twin Atlantic Schluss machten. Es ist die Geschichte von „GLA“, dem vierten Twin Atlantic Album, und außerdem ihr Bestes. Also wollen wir die Geburt dieses bemerkenswerten Albums und die Wiedergeburt dieser bemerkenswerten Band genauer untersuchen.

Der Ruhm flog Twin Atlantic nicht einfach so zu, sie schreiben drei Jahre lang, nehmen auf und touren in einem Van durch das Vereinigte Königreich. McTrusty erzählt, dass die Band auf ihrem ersten Album „Vivarium“ von 2009 „nicht glauben konnte, dass wir die Möglichkeit hatten, ein Album zu machen“. Also quetschten sie jede Idee hinein und nutzen alle Kniffe, die sie kannten. Die Arbeit zahlte sich 2011 mit ihrem zweiten Album „Free“ aus. Sie begannen 2000er-Konzerthallen auszuverkaufen und erhielten eine Silberauszeichnung für ihre Plattenverkäufe. Mit der Veröffentlichung von „Great Divide“ hatte McTrusty 2014 seine Gabe für das Schreiben von tighten und zielgenauen Rocksongs perfektioniert und ließ sie im hellen Glanz strahlen.

„Aber es war nicht mehr interessant“, sagt er. „Es wurde eine unbequeme Passform. Wir waren zur ‚besten’ Version dieser Band geworden.“ Sie hatten das Gefühl, sich innerhalb dieser Vorgänge selbst verloren zu haben. „Wenn etwas funkelt und neu ist, hat es keine Geschichte, keine Schrammen. Es ist nicht interessant.“ Wenn Twin Atlantic weitermachen würden, das entschieden sie, war es an der Zeit diese Schrammen wie Orden zu tragen und ihre Geschichten offenzulegen.

„Einer der Gründe, warum wir ursprünglich in einer Band sein wollten, war es zu reisen und neue Erfahrungen zu machen,” sagt der Bassist Ross McNae. Die Realitätsflucht war Teil dieses Reizes. Für ihr neues Album jedoch, würden sie diesen Eskapismus aufgeben und tiefer in sich selbst graben. Das Mantra für „GLA“ würde lauten: Manchmal bedeutet wer du bist, wo du herkommst.

Der Proberaum von Twin Atlantic ist in einer düsteren Ecke der Stadt, mit einem gefährlichen Ruf. „Es gibt eine Klischeevorstellung von Glasgow, ein Stigma,“ sagt McTrusty, „aber es gibt auch viel zu besprechen. Die Stadt hat eine Renaissance erlebt, und sich in einen multikulturellen Schmelztiegel verwandelt.“, sagt er mit einem gewissen Stolz. „Die Wiedergeburt der Stadt, und die Veränderung unserer Leben, während wir älter wurden und mehr Verantwortung übernahmen, kanalisierten sich alle in den Songs. Wir wollten ein Album schreiben, das repräsentiert wie es ist, aus einer der aufregendsten Städte der Welt zu kommen, aber auch aus einer, die einen gefährlichen Ruf hat. Die Energie, die Leidenschaft. Wir haben genug davon, zu versuchen jemand anderes zu sein oder woanders hinzugehen. Es war an der Zeit dafür einzustehen, wer wir sind. Dies ist ein Moment der Ankunft. Ein Abdruck, der aussagt: Das ist, wer wir sind… Das ist, wo wir herkommen. Es ist in unseren Herzen verankert, mal ganz abgesehen von unserer Kunst und Vision.“

Vom Riff zum Text, zu Barry McKennas schneidenden Gitarrenmelodien – die Songs von „GLA“ sind von kraftvoller Komplexität und Zwischentönen geprägt. Die perfekt polierten Popsongs wurden verworfen und von Tracks ersetzt, die genauso eindringlich sind, aber gleichzeitig eine neue Tiefe und Gewandtheit besitzen, ohne jemals diesen ursprünglichen Twin Atlantic-Kick zu verlieren. Sie sind so persönlich und aus tiefstem Herzen, wie sie die Band noch nie zuvor abgeliefert hat. „Whispers” – einer der Songs, die McNae geschrieben hat – ist eine schroffe aber erhebende Reflektion über Verlust und Trauer; „er ist düster, aber nicht goth”, sagt McTrusty. „Es klingt wie reine Empathie und Erlösung. Glasgow ist eine Stadt, die mit den Sorgen ihrer Bewohner mitfühlt.“

„The Chaser” ist die andere Seite der Medaille, „wie eine Samstagnacht im Stadtzentrum – wenn du keine andere Wahl hast als verdammt nochmal durchzudrehen, und am nächsten Morgen mit ‚der Angst’ aufzuwachen, dass du dich benommen hast, als wärst du immer noch 15 Jahre alt. Das Wetter hier zieht die Leute runter, und sie leben für das Wochenende; manchmal bringt dich das dazu, dich bescheuert aufzuführen – und dieser Song ist purer dämlicher Rock.“ Dass die beiden Songs in der Tracklist nebeneinanderstehen ist kein Zufall; wie McTrusty sagt, „Glück und Trauer leben hier in dieser Stadt zusammen. Das ergibt Sinn für uns.”

Die Songs wurden in Glasgow geschrieben und die Band ging nach Topanga Canyon in Los Angeles, um das Album aufzunehmen, wo sie mit Jacknife Lee (U2, Snow Patrol, Two Door Cinema Club) zusammenarbeiteten, der zuvor einige Tracks für „Great Divide“ produziert hatte.  Unter seiner Anleitung verzichteten sie auf traditionelle Aufnahmetechniken und spielten ihre Parts getrennt voneinander ein. „Wir haben in keiner Sekunde gemeinsam gespielt,” sagt McTrusty. „Wir haben unseren Ansatz verändert und das Rockband-Konzept auf den Kopf gestellt, nur um dieser einen Idee zu entsprechen: Wir wollen Rock’n’Roll zurückzuerobern und den Leuten wieder etwas Echtes geben.“ Diese Veränderung im Aufnahmeprozess markierte die größeren Ambitionen der neuen Songs, während Alan Moulder, ihr favorisierter Mixer (bekannt durch seine unvergessliche Arbeit mit den Arctic Monkeys, Foals, Foo Fighters und My Bloody Valentine) an Board kam, um dem Album den entscheidenden Feinschliff zu geben.

„Wir waren von klassischem Riff-Rock inspiriert, aber wir wollten unsere eigene Version daraus machen und andere Menschen begeistern”, erklärt McTrusty. „Wir geben diesen kleinen Zusatz von uns selbst und wollen dem Rock’n’Roll die Kraft zurückgeben, um sich selbst zu offenbaren. Mit ‚GLA‘ haben wir alles zu verlieren und nichts zu beweisen. Hier angelangt zu sein, ist aufregend und kreativ.“

„Wir hätten dieses Album vorher niemals machen können,” ergänzt McNae, „weil wir nicht alle unsere Erfahrungen gehabt, nicht all die notwendigen Fehler gemacht hatten. Wir haben endlich das Album gemacht, das wir machen wollten.“

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